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Pilgerwanderung entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze

Datum:
4. Dez. 2019
Von:
Albert Bettin

Mit freudigen Erwartungen, aus purer Neugier und mit dem Mut zum Abenteuer im eigenen Land machte sich am 7.November eine elfköpfige Pilgerschar auf den Weg ins thüringische Eichsfeld. Wir wollten den 30. Jahrestag der innerdeutschen Grenzöffnung an "Originalschauplätzen" erleben. Vor Ort hatte Pfarrer Kramer, ein langjähriger guter Freund von Pfarrer Schicks, mit tatkräftiger Unterstützung von zwei weiteren Geistlichen und einem Herrn vom Fremdenverkehrsverband für uns ein äußerst gefülltes, interessantes und eindrucksvolles Programm zusammengestellt. - Zum äußeren Rahmen dieser vorbildlichen Organisation und Betreuung gehörte unsere Unterbringung in Privatquartieren, die Verpflegung in Kultur- und Gemeindehäusern und der notwendige Transport zwischen den einzelnen Orten des Geschehens.

Ein solcher war am Freitagvormittag als Erstes der ca. 7 km lange "Weg der Geschichte" bei Kirchgandern, auf dem uns zwei der Initiatoren begleiteten. Sie erläuterten uns die Informationstafeln auf diesem "Rundweg gegen das Vergessen", auf denen Zeitzeugen aus der Region von ihren Erlebnissen während der deutschen Teilung berichten.  Auf dieser wie auch den weiteren Wanderungen führte die Strecke öfters über den Kolonnenweg der Grenzsicherungsanlagen der DDR und damit auch an Punkte, zu denen wir von unseren Begleitern sehr informative und beeindruckende, mit vielen persönlichen Erfahrungen gefüllte Erläuterungen erhielten. Besonders berührend für uns war dabei die Verknüpfung der historischen Ereignisse mit den religiösen Einstellungen, Kräften und Aktivitäten in den Kirchen und Pfarreien unter dem und gegen das DDR-Regime. Nicht nur hierbei konnten wir über eine sehr große Phantasie beim Widerstand staunen.

Wandertechnisch anspruchsvoller gestaltete sich der Nachmittag, der uns zu verschiedenen Aussichtspunkten und auf eine Höhe von über 500 m führte. Wegen des dabei einsetzenden Regens waren wir nach dem Abstieg gerne bereit, uns mit einer Tagesleistung von ca. 16 km zufrieden zu geben und ins mollig geheizte Gemeindehaus von Eichstruth fahren zu lassen. Hier war von Frau Bürgermeisterin und ihrer Mutter bestens für unser leibliches Wohl gesorgt worden.

Die Pilgeretappe des Samstags führte uns zum Grenzmuseum "Schifflersgrund", wo wir in einer sehr interessanten, aber auch ergreifenden Führung Einblicke in die ungeahnten Dimensionen und Auswüchse der von Kontrolle, Reglementierung und Angsteinflößung geprägten DDR-Diktatur erhielten. Mit wiederum ca. 15 km in den Pilgerknochen ging es von hier per Bus für die letzten 2 Übernachtungen "in den Westen" nach Bad Sooden-Allendorf.

Dort hatten wir Gelegenheit, an der Vorabendmesse in St. Bonifatius teilzunehmen, in der wir als Pilgergruppe herzlich begrüßt wurden. Im sich daran anschließenden Abendessen mit Zeitzeugen erfuhren wir - wie schon an den Abenden zuvor in Arenshausen und Eichstruth - eine sehr herzliche Gastfreundschaft und eine große Bereitschaft und Offenheit zu persönlichen Erzählungen und Erinnerungen an die Zeit vor, während und nach der Grenzöffnung. Diese Berichte über menschliche Schicksale und Tragödien ließ uns oft nur mit einem verständnis-, fassungs- und sprachlosen Kopfschütteln reagieren. Umso erfreulicher, dass bei den Betroffenen die Freude und Dankbarkeit darüber viel größer ist, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist, und die allgemeine Unzufriedenheit heute mit Unverständnis betrachtet wird.

Der zeitweise in Teilgruppen nach persönlichen Interessen gestaltete Sonntag enthielt u.a. den Besuch der anderen Kirchen vor Ort, ein Gespräch mit dem evangelischen Pastor von St.Crucis (nach der Hubertusmesse) und das Anstimmen des gleichnamigen Liedes von Franz Schubert am (Original)"Brunnen vor dem Tore" im Stadtteil Allendorf.

Auf den Wegen und in den Gesprächen sowohl untereinander als auch mit vielen Menschen aus der Region begleiteten uns in diesen erlebnisreichen Tagen sehr viele spirituelle und religiöse Impulse und - oft relativierende - Denkanstöße und Sichtweisen von Pfarrer Kramer und seinen Kollegen, die wir gerne aufnahmen.

So kehrten wir am Montagnachmittag glücklich und wohlbehalten nach Rheydt zurück, dankbar für eine Zeit, in der ein jeder sich einen zusätzlichen Pilgerrucksack mit ganz persönlichen Erfahrungen, Erkenntnissen und Eindrücken füllen konnte.

                                               

Veronika u. Werner Fritsche