Die folgenden Zahlen entsprechen allerdings alle der Wahrheit.
Ein Blick in die Glaskugel
– Jahresempfang am 28. August in Herz Jesu
Zwei Jahre Coronapandemie, zahlreiche Skandale und Fehleinschätzungen auf oberer und oberster Ebene haben erheblich beschleunigt, was längst befürchtet wurde und nun Gewissheit ist: unsere Katholische Kirche scheint auf einem unguten Weg – vielleicht sogar in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit. Wie in anderen „Branchen“, in denen es um das Kümmern um Menschen geht, herrscht ein erheblicher gefühlter Mangel an hauptamtlichem und ehrenamtlichem (!) personalem Angebot, der sich innerhalb der nächsten Jahre noch verstärken wird, und auch das Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche und ihren Gemeinden nimmt bei den Menschen unseres Erdteils rapide ab, abzulesen an Rekordzahlen bei den Kirchenaustritten der letzten Jahre.
Andererseits bricht das Bedürfnis der allermeisten Menschen nach dem „Mehr als alles“ nicht im selben Maße ab: Nach wie vor sind die Kirche und die Menschen in ihr in religiösen und sozialen Belangen gefragt, vor allem dann, wenn Leben und Glauben in einer Gemeinde oder einer Gemeinschaft oder auch bei einzelnen Personen gut ineinandergreifen, zueinander passen und als wohltuend empfunden werden. Für die GdG Herz Jesu gilt zum Beispiel, dass viele Zahlen (Taufen, Firmkandidat*innen, Brautpaare, Erstkommunionkinder) über die letzten Jahre stabil geblieben sind, wenn man den demographischen Wandel unserer Gesellschaft mit bedenkt. Zwar sind auch im Rheydter Westen die Austrittszahlen erheblich gestiegen, doch lesen wir aus den wenigen Rückmeldungen auf unser Schreiben an die Ausgetretenen eher die Frustration über die Unbeweglichkeit und Skandalträchtigkeit der Kirche insgesamt heraus. Ein konkreter Ärger über die Seelsorge und die Einrichtungen vor Ort ist in den Rückmeldungen weniger zu spüren – freilich bewegen auch finanzielle Gründe viele, die Kirche zu verlassen.
In den Zusammenhang einer gelungenen Stringenz zwischen Glauben und Leben möchte ich als Gemeindereferent (und an der Aktion Unbeteiligter) gerne den so genannten „Jahresempfang“ stellen, der als Ersatz des coronabedingt ausgefallenen traditionellen Neujahrsempfangs in Herz Jesu am 28. August stattgefunden hat. Was ich direkt nach dem Gottesdienst geäußert habe, lasse ich stehen: Ich empfand diese Aktion als eine Art Meilenstein in einer schwierigen Zeit. Und zwar aus verschiedenen Gründen:
- Auch wenn der Gottesdienst ursprünglich als Eucharistiefeier geplant war, wurde durch den krankheitsbedingten Ausfall von Herrn Pfarrer Schicks daraus ein überaus feierlicher Wortgottesdienst, der für alle Beteiligten keine „Notlösung“, sondern eine Lösung war, die in die Zukunft wies. Von der Ausarbeitung des Themas über die Ansprachen, von der musikalischen Gestaltung über die große Beteiligung der Gottesdienstbesucher*innen, besonders auch durch die liturgischen Elemente war diese Feier wohltuend, erfrischend, nachdenklich stimmend und im Ganzen rund und vollständig.
- Es mag nicht allen aufgefallen sein, aber die Überreichung der Beauftragung zum Wortgottesdienst an unsere vier neuen Leiter*innen geschah durch einen anderen Wortgottesdienstleiter, im Grunde also auf einer Ebene: natürlich ist eine solche Urkunde ein Verkündigungsauftrag, der „von oben“ kommt, in diesem Gottesdienst gestaltete sich dies sichtbar als eine Aufnahme in den Kreis derer, die sich in den Gemeinden um das Wort Gottes kümmern.
- In unserem Bistum – wie in der gesamten, nicht nur in der deutschen Kirche – wird es einen großen Wechsel geben (müssen). Personal- und Mitgliedermangel kann nicht mehr durch eine Ausweitung von Territorien und Pfarrgebieten aufgefangen werden, ohne dass Identität, Heimat- und Zugehörigkeitsgefühle im selben Maße verloren gehen wie die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen. An alternativen Lösungsmöglichkeiten arbeitet z.B. zurzeit der Bistumsprozess „Heute bei dir“. Ohne in Einzelheiten zu gehen, hat mir u.a. der Gottesdienst zum Jahresempfang gezeigt, dass unsere Gemeinden und die darin tätigen Haupt- und Ehrenamtlichen bereits große Schritte gemacht haben, kreativ zukunftsfähig zu sein.
- Die Begegnung nach dem Gottesdienst war einfach, von vielen Gesprächen geprägt, letztlich gekennzeichnet von gegenseitiger Wertschätzung und dem Wunsch zur Vernetzung.
- Abgesehen davon hat das alles auch sehr viel Spaß gemacht!
Freilich ist dies meine persönliche Meinung zum Ganzen. Es mag sein, dass jemandem auch irgendetwas sehr gefehlt oder die Form nicht behagt hat. Ich denke, dass wir an diesem Vormittag wie durch eine Glaskugel ein wenig in die Zukunft unserer Kirche geblickt haben, und dass dieser Blick Mut machen kann.
Danke von Herzen an alle, die bei der Vorbereitung und Durchführung tätig waren, danke auch an alle, die mitgefeiert haben.
Albert Bettin
Bei den besonderen Kollekten der vergangenen Monate wurden in der gesamten Gemeinschaft der Gemeinden folgende Summen eingesammelt:
Sternsinger (bis Redaktionsschluss)
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19.300,00 Euro
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Adveniat
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4.709,00 Euro
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Diaspora
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498,00 Euro
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